Arterielle Durchblutungsstörungen der Extremitäten
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Arterielle Durchblutungsstörungen der Extremitäten

Es gibt verschiedene Geißel in unserem Leben, Philosophen meinen, es sei die Gleichgültigkeit in unserer Gesellschaft, andere wiederum sagen es seien die Religionen. Ich persönlich denke als Mediziner eher an andere Qualen: der Krebs, zu großen Teilen immer noch unbesiegbar und die in unserer Gesellschaft zunehmend häufiger auftretenden Durchblutungsstörungen in vielen unserer menschlichen Organe.

Ich möchte in diesem Artikel nicht über Schlaganfälle oder Herzinfarkte sprechen, in beiden Fällen kommt es zu Verstopfungen der jeweiligen Arterien im Versorgungsgebiet dieser Organe. Hier soll es um die Teile unseres Körpers gehen, mit denen wir uns täglich fortbewegen. Es geht um die so genannte periphere arterielle Verschlusskrankheit, eine sehr häufige Erkrankung der Blutgefäße der Beine und seltener der Arme. Wohlgemerkt, Arterien transportieren das Blut vom Herzen weg bis in die letzten Winkel des menschlichen Körpers, unsere Venen transportiert es zum Herzen zurück.

Verursacht wird eine arterielle Verschlusskrankheit meist durch Ablagerungen in den Blutgefäßen, einer so genannten Arteriosklerose, die den Blutstrom einschränkt. Die häufigsten Auslöser sind Diabetes, hoher Blutdruck, Rauchen sowie Störungen des Fettstoffwechsels und genetische Faktoren.

Es ist nicht schwer vorstellbar, dass die Muskelanteile, die hinter einer Engstelle der versorgenden Arterie liegen, nicht mehr ausreichend durchblutet werden. Die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes nimmt folglich ab und der Blutdruck in den Beinarterien vermindert sich. Das führt dann zu einer schlechteren Versorgung des Gewebes und nachfolgend zu Beschwerden vor allem wenn sich der Gefäßdurchmesser um mehr als 75 Prozent reduziert. Durch diesen Prozess erhalten die Beinmuskeln demnach immer weniger Sauerstoff für die schwere Arbeit, den ganzen menschlichen Körper fortzubewegen. Kommt es dann im Verlauf zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und – Angebot, fangen die Muskeln an zu schmerzen, wie eben auch ein Motor anfängt zu stottern, wenn die Benzinleitung verstopft ist. Als Arzt stelle ich meinen männlichen Patienten in diesem Zusammenhang immer eine unerwartete Frage: Haben Sie Erektionsprobleme? Aus verständlichen Gründen trifft es meist zunächst die kleinsten Arterien in unserem Körper und nirgendwo macht sich dies mehr bemerkbar als im Penis.

Schmerzen in den Beinen, oftmals verbunden mit einem kalten Fuß oder Bein sind demanch typische erste Anzeichen einer arteriellen Verschlusskrankheit. Der Schmerz tritt meistens beim Gehen, insbesondere beim Bergaufgehen, auf und verschwindet oder lässt stark nach, wenn die Betroffenen stehen bleiben. Da Betroffene beim Gehen öfters anhalten müssen, bis die Schmerzen abgeklungen sind, und dies aus Scham oder zur Ablenkung bevorzugt vor Schaufenstern tun, ist die Bezeichnung Schaufensterkrankheit entstanden.

Der Arzt wird sich zunächst nach dem genauen Beschwerdebild erkundigen, wichtig hierbei ist auch die Frage, nach welcher Gehstrecke die Beschwerden in welchem Muskel eintreten. Bei einer Strecke von unter 200m sollten alle Alarmglocken klingeln, denn dann ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer schweren Erkrankung der Arterien auszugehen. Die Diagnose kann neben einer Prüfung des Pulsstatus in den Beinen, sehr leicht durch eine Ultraschalluntersuchung der Beinarterien gestellt werden, hierbei kann ein erfahrener Untersucher genau die Lokalisation und das Ausmaß der Engstellen erfassen. In jedem Fall wird er bei einer Bestätigung dieser Diagnose zunächst einen Blutverdünner wie Aspirin verordnen. Betrifft es die großen Arterien, kann man, wie in den Herzkranzgefäßen auch, durch eine Erweiterung mit einem Ballon und ggf. Einlage einer Gefäßstütze (Stent) die Engstelle beheben, so dass wieder ein normaler Blutfluss gewährleistet ist. Manchmal wird auch eine Bypass-OP erforderlich sein: hier wird die Engstelle oder der Verschluss überbrückt. Sind kleinere, weiter peripher gelegene Arterien betroffen, muss sich der Patient etwas mehr anstrengen: dann nämlich wird ein konsequentes Gehtraining bis zur Schmerzgrenze empfohlen. Über die dann folgenden Monate bilden sich neue Gefäße in der Umgebung des Gefäßverschlusses oder der Gefäßengstellen, die dann wieder zu einer deutlichen Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Gewebes (Muskeln) führen. Ziel ist immer eine Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke.

Es versteht sich von selbst, dass ein Nikotinkonsum unbedingt sofort beendet werden muss, sonst macht alles wenig Sinn. Ebenso müssen andere Risikofaktoren wie zu hohes Cholesterin, Bluthochdruck und Zuckererkrankungen medikamentös optimal eingestellt werden.

Nur in den Fällen, in denen trotz aller Massnahmen keine ausreichende Wiederherstellung der Durchblutung gelingt, muß eine Amputation in Erwägung gezogen werden. Dies trifft meist Diabetiker und unbelehrbare Raucher. Doch zuletzt möchte ich auf einen großen Missstand hinweisen: Bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit werden vor einer Amputation sehr häufig die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Es wird einfach zu oft amputiert. Schließlich verdienen die Krankenhäuser damit viel mehr Geld als sich um den Erhalt der Extremtäten zu kümmern. Dies belegt eine aktuelle Datenanalyse von 41.882 Patienten der Barmer GEK. Bei 4298 von ihnen war wegen hochgradiger arterieller Durchblutungsstörungen eine Amputation vorgenommen worden. Bei 37 Prozent der Betroffenen hatte es weder direkt davor noch in den zwei vorausgehenden Jahren eine Untersuchung der Arterien oder einen Versuch einer Wiederherstellung der Durchblutung durchgeführt, aus meiner Sicht eine Katastrophe! Nochmal: man kann nicht genug auf die Notwendigkeit eines konsequenten Gehtrainings hinweisen! Ein strukturiertes Gehtraining ist am erfolgversprechendsten. Aber auch andere Bewegungsformen sind hilfreich. Man kann selbst mit Armkurbeln die Gehleistung verbessern. Hauptsache, die Patienten kommen in Bewegung. Bei Beinsymptomen ist das Gehtraining auf lange Sicht hinsichtlich Lebensqualität und Gehleistung mindestens so effektiv wie ein operatives Vorgehen.

Dr. med. Luai Chadid – Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie

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