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Alkohol bleibt Suchtproblem Nummer eins

Obwohl der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol mittelfristig sinkt, bergen Bier, Wein und Co. das höchste Suchtrisiko sowohl in Spanien als auch  in Deutschland. Und überhaupt ist die Europäische Union die Region auf der Erde mit dem höchsten Alkoholkonsum, wobei in England die Statistik anführt. Selbst in den nordischen Ländern, in denen Alkohol sehr viel teuer ist, besteht ein überdurchschnittlicher Alkoholkonsum.

Im Jahr 2015 verbrauchte jeder Deutsche ab 15 Jahren 10,7 Liter reinen Alkohol, in Spanien sind es ca. 9,8 Liter. Das sind ca. 29 Gram Alkohol täglich. Früher galt die Regel, dass ein Konsum von 12-20 Gramm Alkohol bei Frauen und 20-40 Gramm bei Männern als schädlich eingestuft wurde (zum Vergleich: 0,2L Wein enthält 18 Gramm, 0,5L Bier 20 Gramm, 2cl Schnaps 5 Gramm reinen Alkohol). Doch diese Regel gibt es nach neueren Erkenntnissen nicht mehr, es gibt keine unschädliche Mengen mehr, daher wird heute das Optimum bei Null Gramm Alkohol gesehen.      In Spanien sind vor allem junge Frauen gefährdet: 78% der Mädchen haben vor dem 18. Lebensjahr Alkohol konsumiert. Erschreckend hoch ist auch die Zahl der durch Alkohol bedingten Todesfälle: allein in Spanien sterben jährlich ca. 165.000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums.

In Deutschland wachsen 2,65 Millionen Kinder in einer Suchtfamilie auf. Überdurchschnittlich oft kommt es laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in diesen Familien zu sexuellen Übergriffen, Missbrauch und körperlicher Gewalt. Etwa acht Millionen Angehörige alkoholkranker Menschen in Deutschland erfahren nach Angaben der DHS zahlreiche Belastungen. „In Extremfällen erfahren sie gar regelmäßig körperliche und sexuelle Gewalt“, heißt es. Hierfür ursächlich sind typische Merkmale eines Alkoholrausches: Enthemmung, Streitlust, Aggressivität, Einschränkung der Urteilsfähigkeit und Beeinträchtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit.

Neben Rauchen, Bewegungsmangel und Fehlernährung zählt Alkohol zu den besonders gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen. Im chronischen Stadium kommt es zu schweren Schädigungen des Gehirns mit Gedächtnislücken, Veränderungen der Persönlichkeit mit zunehmender sozialer Isolation, Psychosen, Halluzinationen, Angst und Desorientierung. Die alkoholtoxische Demenz im Spätstadium ist die Vollendung dieser Katastrophen.

Doch gibt es neben der Schädigung des Gehirns auch viele weitere Folgeerkrankungen: Tatsache ist, dass Alkoholkranke Patienten eine im Schnitt 20 Jahre geringere Lebenserwartung haben. Alkohol ist für ca. 6% aller Krebsfälle verantwortlich (Rachen-, Speiseröhren-, Leber-, Dickdarm-, Brust – und Kehlkopfkrebs). Nebenbei kommt es zu einer Fettleber und im Verlauf zu einer Leberzirrhose mit Folgen einer Ausbildung von Krampfadern in der Speiseröhr und der Gefahr daraus zu verbluten. Weitere Erkrankungen sind häufige Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Schädigung der Skelett- und Herzmuskulatur sowie durch Vitaminmangel bedingte Begleiterkrankungen.

Mediziner machen, neben genetischen (Alkoholkrankheit wird bis zu 40-60% genetisch beeinflußt) und familiären Faktoren (Aufwachsen mit Suchtkranken, sexueller Missbrauch etc.) auch eine unwirksame Präventionspolitik mitverantwortlich.  Alkohol ist in vielen Kulturen eine gesellschaftlich anerkannte, einfach und billig zu beschaffende Droge, deren Konsum in manchen Situationen geradezu erwartet wird. Ursächlich für den anhaltend hohen Alkoholkonsum seien auch politische Rahmenbedingungen: Ein niedriges Preisniveau für Alkoholika, freie Werbung für Alkoholika, eine unterdurchschnittliche Inflationsrate, uneinheitliche und vergleichsweise niedrige Steuersätze auf Alkohol sowie keine spezielle Verbrauchssteuer auf Wein. Ebenso besteht ein ineffektiver Jugendschutz: Testkäufe hätten ergeben, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Jugendlichen rechtswidrig Alkoholika kaufen können; Bußgelder seien zu mild und leicht durch Mehrverkäufe zu kompensieren.

Als eines der wirksamsten Präventionsinstrumente sollte der Arzt den Patienten bei jeder Gelegenheit nach dem Alkohol- oder auch Tabakkonsum zu fragen.  Aus meiner Sicht ergibt sich aufgrund des in der Regel guten Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten nachweislich einen verhaltensändernden Effekt. Doch das erfordert längere Gespräche, in denen ausführlich und individuell auf die Risiken und Nebenwirkungen eines regelmäßigen Alkoholkonsums eingegangen werden. Da dies weder in Spanien noch in Deutschland vergütet wird, halten sich hier viele Ärzte eher bedeckt. Viele Bluthochdruckkrankheiten ließen sich durch ein Alkohlverzicht reduzieren, die blutdrucksenkende Medikation könnte meist halbiert oder gar abgesetzt werden. Auch würden sich die Cholesterinwerte verbessern, so dass eine Beendigung der Medikation oder zumindest eine geringere Dosis der Cholesterinsenker (Statine) möglich wäre. Ebenso würde sich eine Zuckererkrankung (Diabetes) deutlich verbessern, was wiederum eine deutliche Senkung der Diabetesmedikation nach sich ziehen könnte. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass alle Patienten über eine deutlich verbesserte Lebensqualität berichten, wenn sie den Alkoholkonsum beendet oder zumindest deutlich reduziert haben.

Die Alkoholkrankheit verursacht erhebliche Folgekosten für die Krankenkassen und die Wirtschaft (Unfälle, Straftaten unter Alkoholeinfluss, Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung). Hier geht es um mehrere Milliarden Euro jährlich, allein in Deutschland belasten Alkoholabhängige mit fast 27 Milliarden Euro die Gesellschaft, also wesentlich mehr als der Gesamtumsatz der Alkoholindustrie, der ca. 14 Milliarden Euro beträgt. Wenn schon das Gesundheitssystem so hoch belastet wird, warum wird nicht die Alkoholsteuer (wie auch die Tabaksteuer) deutlich erhöht und zu 100% an die Krankenkassen zurück überwiesen?

Dr. Luai Chadid

 

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